Die Bertelsmann-Stiftung macht Meinung
Slogans wie „Du bist Deutschland – Du bist 82 Millionen – Dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern, „ initiierte vor zwei Jahren die Bertelsmann AG mit 30 Millionen EUR eine der größten deutschen „Social-Marketing- Kampagnen„: die – von Depressionen und Zukunftsängsten geschüttelten – Deutschen sollten wieder auf gute Laune, als „deutsche Volksgemeinschaft in ideologischer Not- und Zwangsgemeinschaft“ getrimmt werden.
Die Fortsetzung der Kampagne ist in Vorbereitung.
Hinter den Kulissen gehört der Bertelsmann-Konzern und seine Stiftungen zu den Strippenziehern bei Privatisierungen und Sozialabbau. Mit dem Bertelsmann „Transformations Index“ werden die weltweiten – gegebenenfalls auch militärischen – Durchsetzungsmöglichkeiten von „Markt-und Wettbewerbsordnung“, die Ausschaltung von etwaigen „Vetoakteuren“ in 119 Staaten der Erde beurteilt und zu Empfehlungen für außenpolitische Entscheidungen gemacht.
Auf dieser Grundlage einer menschenverachtenden Total-Ökonomisierung des „Humankapitals“ ( übrigens Unwort des Jahres 2004) werden solche Entscheidungen getroffen, wie der Irak-Krieg, der Krieg gegen Afghanistan und alle noch folgenden Kriege, falls der Schöpfer dieses dreckige Spiel auch in Zukunft noch mitmacht und nicht dem Ganzen durch einen gezielten Meteoriteneinschlag ein jähes Ende bereitet!
Bertelsmanns Fassade blendet und beschwichtigt nicht nur, sondern sie ist ein wichtiger Bauteil im Gefüge der Entscheidungsprozesse, die in Berlin aufs Tableau kommen. Wer mit Bertelsmann zu tun hat, sieht zunächst ein großes Aushängeschild mit einer Achtung gebietenden ethischen Selbstverpflichtung: Einer der größten Medienkonzerne der Welt ordnet das Geschäft dem Gemeinwohl unter. Seit seiner Gründung im Jahr 1835 legitimiert sich das Unternehmen durch den selbst erteilten höheren Auftrag. Dieser wurde zunächst rein religiös, dann sehr weltlich ausgelegt. Im 19. Jahrhundert verrichtete der protestantische Verlag Gottes Werk, indem er Erbauungsliteratur für die Gläubigen druckte. Man stelle sich das vor!
Im 20. Jahrhundert bescherte er dem Volk die Volksausgabe der Bibel, den Wehrmachtssoldaten die Frontliteratur und den Lesering-Mitgliedern die Allgemeinbildung.
In der Gegenwart überzieht man von Gütersloh aus die Medienlandschaft mit einem Rundum-Freizeitangebot an seichter Unterhaltung, spannt ein weltweites Netz von Fusionen und Beteiligungen und präsentiert sich nebenbei über die Bertelsmann Stiftung als Geld- und Ideengeber in allen kulturellen und sozialen Belangen.Man gibt vor, nicht durch unternehmerische Strategie oder gar dubiose Geschäfte, sondern durch den Vorsatz, Gutes zu tun, in die Spitze der Weltkonzerne aufgestiegen zu sein. Doch der Schein trügt. Hinter dieser Abschirmung bevorzugt die Gütersloher Unternehmensleitung ethikferne und rabiate Methoden. Nur: Weil man sich rühmt, einen „Leistungsbeitrag für die Gesellschaft“ zu erbringen, wird das kaum wahrgenommen. Bis heute vertraut die Öffentlichkeit nahezu blindlings der Selbstdarstellung des Konzerns. Gutmenschentum und die Produktion massenattraktiver Angebote sind zur Gesamtmarke Bertelsmann verschmolzen, die vage an humane Unternehmenskultur und soziale Anliegen erinnert. Von allen großen deutschen Parteien hofiert, hat sich Bertelsmann auf diese Weise der Kritik weitgehend entzogen.
Darüber hinaus dient die Bertelsmann AG selbst als Fassade – für die hauseigene Stiftung. Die Aktiengesellschaft repräsentiert die Sphäre von Profit, Macht und Einfluss, von der sich die Bertelsmann Stiftung als unabhängige und gemeinnützige Denkfabrik vorteilhaft abhebt. So lässt der Konzern vergessen, dass die Stiftung einen immensen politischen Einfluss ausübt und dabei stets den Profit des Unternehmens im Auge behält, aus dem sie hervorgegangen ist. Sie ebnet dem Medienimperium die Bahn für aktuelle Vorhaben, sorgt für die notwendigen Kontakte und vermag es, bei schwierigen Entscheidungsprozessen in den passenden Momenten nachzuhelfen. Über die Stiftung wirkt der Konzern in Deutschland und Europa auf undurchsichtige Weise an fast allen bedeutsamen sozial- und bildungspolitischen Reformen und sicherheitspolitischen Entscheidungen mit. Aber die Einflußnahme des Bertelsmann-Clans beginnt nicht nur bei der Agenda 2010 und deren Sozialkürzungen, sondern reicht auch tief bis in die entscheidungsrelevanten Themen wie die der Zukunft der Europäischen Verfassung.
25.09.2006, Berlin Auswärtiges Amt, Konferenz zur Zukunft Europas, mit hochdekorierten Teilnehmern der neoliberalen Elite. Organisation der Konferenz: Die Bertelsmann-Stiftung.
Nomineller Ausrichter der Konferenz war die Bertelsmann-Stiftung, die ihr „International Bertelsmann Forum“ zum wiederholten Mal im Auswärtigen Amt (AA) abhalten konnte. Das Treffen stand unter dem Titel „Die strategischen Antworten Europas“. Bertelsmann entsandte u.a. die Aufsichtsratsvorsitzenden der Großunternehmen Bayer –Schering und BASF, die bei dem weltweit größten Medienkonzern leitende Positionen einnehmen. Bertelsmann-Veranstaltungen helfen der deutschen Außenpolitik im Vorfeld offizieller Aktivitäten und ermöglichen Abgleiche zwischen Planentwürfen verschiedener Behördenteile. Der massierte Auftritt ausländischer Repräsentanten, die im „Weltsaal“ des AA auf die Staatsspitzen der Bundesrepublik Deutschland trafen, hoben die Konferenz auf das Niveau eines informellen Gipfeltreffens.
Das der Konferenz zugrunde gelegte Papier will in drei Themenblöcken „Strategische Antworten Europas“ definieren, ohne mitzuteilen, wer die vorausgehenden Fragen stellte und warum die deutschen Autoren der Bertelsmann-Stiftung im „Weltsaal“ der Berliner Außenpolitik für „Europa“ sprechen. Das Papier droht mit einer düsteren Vision, sollte die „künftige politische Ordnung des Kontinents“ weiter strittig bleiben.
In diesem Fall „könnte das Europa der 25 und bald mehr Staaten erodieren, möglicherweise sogar zerfallen“. Dieses Katastrophenszenario dient der Einstimmung auf eine trickreiche Lösung der Verfassungsfrage: Um das in mehreren Abstimmungsniederlagen gescheiterte EU-Vertragswerk dennoch in Kraft zu setzen, empfiehlt man in Berlin, den „Kernbestand“ der abgelehnten Verfassung in ein Staatsabkommen zu übertragen – ohne lästige Referenden („Vertrag zum Vertrag von Nizza“). Auf diese Weise wird den Wählern jede weitere Entscheidung entzogen. In einer offenkundigen Verdrehung der Sachverhalte nennt die Konferenzvorlage den Entmündigungsakt eine „Umsetzung des Grundbestands der Verfassungsreformen“.
Nicht abstimmen sollen die EU-Bürger insbesondere über die EU-Militarisierung (Rüstungsagentur, „neue Instrumente im Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“).
Der um seine fragwürdigen und bekämpften Bestandteile entleerte Inhalt, den die Autoren einen „verschlankten Verfassungstext“ nennen, wäre abstimmungstauglich, heißt es in dem Berliner Konferenzpapier- sofern dieser Text lediglich Absichtserklärungen enthält („zentrale konstitutionelle Bestimmungen“), während die materiellen „Ausführungsbestimmungen in einen Text unterhalb des Verfassungsniveaus ausgegliedert“ werden – für diesen Teil ist die demokratische Legitimation obsolet („Zweiteilung der Verträge“). Man müsse den EU-Bürgern ein für ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten „lesbares Verfassungsdokument“ vorlegen und solle alles andere „den Erfordernissen des europäischen Regierens“ überlassen.
Zu diesen Erfordernissen gehört ein „Binnenmarkt für Rüstungsgüter„, die bei der „Stabilisierung der (osteuropäischen) Nachbarschaft“ sowie im Rahmen „weltpolitischer Mitgestaltung“ zum Einsatz kommen können. Das Papier verlangt eine „Erweiterung der EU jenseits des Westbalkans„, erwähnt die Erfordernis einer „genuine(n) Strategie für Weißrußland“ und die Schaffung einer „Schwarzmeerdimension„. Auch „Zentralasien“ habe die EU „verstärkt“ zu interessieren. Störungen der EU-Expansion könnte mit einer „Europa-Armee“ begegnet werden, hieß es im „Weltsaal“ des Auswärtigen Amtes am vergangenen Wochenende. „Damit würde das Profil der Europäischen Union auf der internationalen Bühne gestärkt, so dass Europa sich im Konzert der internationalen Mächte verantwortungs- und selbstbewußt einbringen und eine markante gestalterische Relevanz erhalten könnte“, wird die imperiale Militarisierung umschrieben.
Sollte es dabei zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staatsführungen kommen, werden die „großen Drei“ (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) unter deutscher Führung als „potenzielle Kernländer“ handeln: „durch engere Zusammenarbeit in einem kleinen Kreis“. Ziel ist es, den USA „als gleichberechtigter Partner auf Augenhöhe“ gegenübergetreten zu können. Die Ausführungen kündigen eine weitere Hierarchisierung der innereuropäischen Rangfolgen an, wobei Konflikte mit kleineren Mitgliedern der EU bewußt in Kauf genommen werden. Die exklusive EU-Spitze der „großen Drei“ soll auf diese Weise zum westlichen Hauptkonkurrenten der deutschen Weltpolitik aufschließen – in einem Triumvirat mit Berlin an erster Stelle. Daß die britische Bindung an die USA eine solche Dreieinigkeit verbietet und die „potenziellen Kernländer“ auf Deutschland und Frankreich reduziert, bleibt gänzlich unbehandelt.
Die teils drohenden, teils unrealistischen und wahnhaften Visionen der Berliner Konferenzvorlage werden durch Appelle an die Führungskraft der „europäischen Eliten“ gestützt. Sie sollen den „Europagedanken (…) in einer neuen Begründungslogik“ bündeln, wozu es eines „Großprojekts“ bedürfe. Empfohlen wird die Weckung von Bedrohungsgefühlen („grenzüberschreitende Kriminalität, illegale Migration, Terrorismus„), die im „Bereich der äußeren Sicherheit“ zur Legitimation „einer europäischen Armee“ beitragen könnten; „ein äquivalentes Projekt im Feld der inneren Sicherheit“ wird noch gesucht. Für Maßnahmen zu ähnlichen PR-Vorhaben, die eine Formierung der zivilen Öffentlichkeit vorsehen, hat die EU-Verwaltung bisher 16 Millionen Euro bereitgestellt.
Während der zweitägigen Konferenz, an der auch US-Beobachter teilnahmen, darunter der frühere Außenminister Henry A. Kissinger, kam es zu keinerlei Mißhelligkeiten, vorfristigen Abreisen oder anderen Formen ernsthafter diplomatischer Proteste. Die Hinnahme des Konferenzdokuments bestätigt höchste Ambitionen der deutschen Außenpolitik, die im letzten Frühjahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hatte.
Henry A. Kissinger ist ranghohes Mitglied der Think-Tank-Organisation „Bilderberger„.
Wer glaubt eigentlich angesichts dieser geballten Macht nur eines Wirtschaftskonzerns noch daran, daß eine andere Politik als die gegenwärtige auch nur ansatzweise möglich ist? Und deren gibt es viele!Der Einfluss der Bertelsmann-Stiftung auf politische Entscheidungsträger ist immens. Sie gilt als eine Art trans- bzw. supranationaler Akteur, einwirkend auf die jeweiligen nationalen Gesellschaften im Rahmen der mit „Globalisierung“ bzw. „Internationalisierung“ bezeichneten Veränderungen.
Der Bertelsmann-Konzern ist eine weltweit einflussreiche Agentur der Bewusstseinsindustrie, der Wissens- und Informationsvermittlung, der Meinungsproduktion (Gehirnwaschanlage), sowie der Unterhaltungsbranche.
Zu den Unternehmenszweigen der AG gehören Buch und Musikclubs, Musikfirmen, Verlage, Fernseh-und Radiosender, TV-Produktionsfirmen, Druckereien, inzwischen aber auch Internet-Angebote sowie Adresshandel, Medien-, Industrie- und Verwaltungsdienstleistungen.
Peter Christian Nowak , Petra Karl , Dirk Grund
Redaktion: !Tacheles – Im Namen des Volkes?!
Gemeinschaft für Aufklärung!
Das Bücken und Schmiegen vor einem Menschen ist in jedem Fall eines Menschen unwürdig. Wer sich zum Wurm macht, kann nachher nicht klagen, dass er mit Füßen getreten wird.
(Immanuel Kant, Philosoph aus Königsberg)
Filed under: Gesellschaft, Korruption, Manipulation, Medialen, Wirtschaft | Tagged: Bertelsmann, europa, Globalisierung, isnm, Korruption, macht, Manipulation | 3 Comments »